Chronik
Die Idee, Dachsteine aus Beton herzustellen, ist über 170 Jahre alt.
Wo der tatsächliche Ursprung der ersten Dachplatte aus Beton ist und wer der Erfinder dieser ist, darüber gibt es unterschiedliche Aufzeichnungen.
Es begann um 1840 in Staudach (Chiemgau), wo der Papiergroßhändler und spätere Fabrikant Adolph Kroher auf Mineralienvorkommen zur Herstellung von Portlandzement stieß. Bereits 1844 ist die Herstellung von „Cementplatten“ durch A. Kroher verbürgt, 1848 wurde dies im Handbuch von Adolph Kroher genau beschrieben.
Kroher verwendete 2 Dachplattenformen, die rautenförmige Platte und die einfache „Holländische Pfanne“, eine Nachahmung der seit dem 15. Jahrhundert in Belgien und den Niederlanden hergestellten S-förmigen Tonpfanne. Kroher nannte sie schlicht „S-Platte“.
Fast zeitgleich experimentierte der Kaufmann August Sadée um 1850 in Stettin an der Möglichkeit einer Dachplattenherstellung.
Sein Schwager Herman Bleibtreu, der Erfinder des ersten deutschen Portlandzementes und Gründer der beiden ersten deutschen Zementwerke in Züllchow bei Stettin und in Oberkassel am Rhein, weckte in August Sadée großes Interesse an Beton. Daraus entwickelte Sadée verschiedene Betonprodukte, unter anderem zwei Dachplattenformen, die mittels Holzformen aus „Cement“ gefertigt wurden. Einerseits die ebene, rhombusförmige – der alten Steindeckung nachempfundene – und andererseits die S-förmige „Portlandcement“ Platte.
1875 übernahm die Gesellschaft für Zement-Stein-Fabrikation Hartwig Hüser in
Oberkassel die Produktion von Sadée und patentierte 1878 die rautenförmige Dachplatte.
Schnell haben sich in Deutschland Zentren für die Dachplattenproduktion gebildet, meist an Stellen, wo es ein entsprechendes Sand- und Zementvorkommen gab, wie in Oberkassel bei Bonn, Quickborn in Holstein, Guben in der Niederlausitz, Elbingen in Ostpreußen, Stettin oder Wedlin in Schleßwigholstein.
Kroher stellte bereits 1873 seine rautenförmigen Dachplatten in Wien aus. Dabei diente der Salzburger- Elisabeth Bahnhof als Referenzobjekt. Dies brachte ihm neben einem Anerkennungsdiplom auch den größten Auftrag der österreichischen Regierung. Kroher lieferte seine Dachplatten für alle Dächer der Bahnstationen und anderer Gebäude entlang der Tauernbahn.
Die sehr hohen Transportkosten der Dachplatten bewogen Adolph Kroher bereits am Anfang seiner Laufbahn, ein „Do it Yourself“ Schema herauszubringen. Jedem, der selbst Dachsteine herstellen wollte, verkaufte er Formen und Pressen, sowie gedruckte Anweisungen zur Herstellung von Dachplatten, sofern bei ihm der Zement gekauft wurde.
Das war der Beginn der Dachplattenproduktion in Österreich und Oberitalien, insbesondere Südtirol.
Anders als in Deutschland bildeten sich in Österreich und Italien keine Zentren, sondern viele Einzelbetriebe. In jedem Tal waren mehrere Plattenmacher, selbst in kleineren Ortschaften gab es oft mehr als nur einen. Es gab auch Wanderarbeiter, die mit den Schlagtischen direkt auf den Baustelle Dachplatten fertigten.
Neben Kroher und Sadée gab es noch weitere namhafte Erfinder wie Ludwig Nicol aus München, der bei der Firma Reisinger beschäftigt war und ebenso rautenförmige Dachplatten 1895 zum Patent anmeldete.
1906 begann Hatschek die rautenförmige Zementplatte nachzubilden, in Form von dünnen Asbestzementplatten.
1907 sollte ein Ausschuss von Herstellern von Betonprodukten in Guben den Zeitpunkt der Entstehung der ersten Betondachplatte und dessen Erfinder feststellen. Es kam zu keiner Einigung.
Ab 1918 begann man in England mit automatischen Produktionsverfahren zu experimentieren und so konnte das britische Redland Unternehmen bereits 1936 die erste Serienfertigung betreiben.
1929 stellte die Familie Kroher die Produktion von Betonprodukten ein und die Zementfabrik wurde verkauft. Der Grund lag in der damaligen Inflation, der enormen Konkurrenz der Ziegelhersteller und in den zahlreichen Plattenmachern, die billigere Platten fertigen konnten als Kroher.
Bedingt durch den zweiten Weltkrieg wurde eine weitere Industrialisierung in der Dachplattenproduktion weitgehend unterbunden und so erfolgte der Wiederaufbau in der Nachkriegszeit mit den alten Maschinen der Plattenmacher.
Viele hunderte Plattenmacher und Bauern begannen nach dem Krieg, wieder Dachplatten herzustellen. Darunter war auch ein Maurer namens Anton Kapeller, der 1946 in Fieberbrunn damit begann, S- und Falz- Platten nach dem Verfahren von A. Kroher herzustellen.
1954 hielt die industrielle Serienfertigung endgültig Einzug und brachte es mit sich, dass es mittels Rollverfahren möglich wurde, in Großserien Dachplatten zu fertigen - die Plattenmacher verschwanden immer mehr.
Rudi Wierer in Südtirol war einer dieser Plattenmacher, der Ende der 50iger Jahre von der händischen auf die industrielle Fertigung umstellte. Wierer sollte zum größten Dachsteinhersteller in Italien werden, mit mehr als 2400 Beschäftigten.
1958 waren in Tirol noch 132 Dachplattenerzeuger registriert.
1960 beschäftigte sich Anton Kapeller in Fieberbrunn ebenfalls mit dem Thema, einen entsprechenden Automaten von deutschen und schwedischen Herstellern zu kaufen, war aber mit den Produkteigenschaften nicht zufrieden.
Die notwendige Sandmischung bezeichnete er als Zuckersand und die erzeugte Oberfläche der Platte war für ihn schlicht unmöglich. Er sollte enttäuscht gemeint haben: „Die spritzen das nur mit Lack zu, das hält keine 20 Jahre!“
Also baute er eine eigene Maschine nach dem alten Prinzip von Kroher. Es war aber kein Schlagtisch mehr, wo die Platte händisch geschlagen – verdichtet – wird, sondern ein Arbeitstisch mit Rüttlerwagen. Wenn man Kapeller Platten, die älter als 60 Jahre sind, heute prüft, dann sind sich Fachleute darüber einig, dass Kapeller die höchste Dachplattenqualität aller Hersteller erzielt hat.
Altersbedingt hörte Anton Kapeller Ende der 70iger Jahre mit der Produktion auf.
Aber er konnte sein ganzes Wissen über seine Maschinen und die Fertigung seinem Enkel weitergeben, der die Plattenmacherei 1981 wieder aktivierte.
Seit 1981 produziert Peter Bucher bis zum heutigen Tag mit den originalen Arbeitstischen des Großvaters und konnte eine nochmalige weitere Qualitätsverbesserung erzielen. Zusätzlich wurden weitere Maschinen gebaut, neue Platten erfunden und die entsprechenden Maschinen dafür gebaut.
Bucher erfand die S-förmige Doppelplatte, die bewehrt ist sowie die Meterplatte, eine Platte die ebenfalls bewehrt ist. Mit diesen Platten können S-Plattendächer auch in den kompliziertesten Formen optimal eingedeckt werden.
Im Jahr 2000:
Es gibt keine Plattenmacher mehr, nur mehr Konzerne, die Masse produzieren und bei denen Gewinnmaximierung im Vordergrund steht. Die Qualität wurde auf das Notwendigste reduziert und Nachhaltigkeit ist nicht gefragt, weil in der Sanierung die Absätze fehlen würden.
Vielleicht überlebte die händische Produktion all diese Veränderungen gerade deshalb.
2008 begann Bucher wieder mit der Fertigung der alten rautenförmigen Zementplatten auf einem neuen Arbeitstisch nach dem Prinzip von Adolph Kroher, die er schlicht „R“-Dachplatte nennt. Er setzt weiterhin unbeirrt auf die alte Produktionsmethode um höchste Qualität zu erreichen.
Die in den letzten Jahren ständig steigende Nachfrage lässt eine Trendwende erkennen, weg vom Kurzzeitprodukt, hin zu einem nachhaltigen Produkt. Die bereits 1959 von Dobson in seinem Buch „Geschichte des Betondachsteines“ beschriebene Lebensdauer der handgefertigten Dachplatte von 200 Jahren, kann nach heutigen Erkenntnissen als erreichbar bestätigt werden.
So werden heute wieder die Bahnhöfe der K & K Südbahnlinie im Pustertal und der Hauptbahnhof Salzburg mit dem Originalmaterial, der „rautenförmigen Cementplatte“ – der Bucher R-Dachplatte – eingedeckt.
Quellen:
Auszug Deutsche Bauzeitung 24.3.1870
Auszug Deutsche Bauzeitung 27.11.1868
Handbuch der Architektur II. Theil, Hochbau-Constructionen, Seite 89-93, 1894
Adolf Opderbecke „Der Dachdecker“, Seite 1-7, 1901
Charles Dobson Geschichte des Betondachsteines, Seite 1 – 124, 1959